Unternehmer klagen: "Wir finden keine Mitarbeiter" – Wie Employer Branding helfen kann

CyberForum 22.04.2024
Christina Haury, renommierte Expertin im Bereich HR-Prozesse, beim sehr gut besuchten „Infomarkt“ im CyberForum.

Von Ariane Lindemann

„Im Umkreis von 50 Kilometern suchen über 150 Unternehmen einen IT-Systemadministrator - warum sollte sich jemand ausgerechnet bei Ihnen bewerben?“

Eine gute Frage - gerade für kleinere, weniger bekannte Unternehmen oder Startups. Dass die Antwort gar nicht so schwer ist, zeigte die Expertin für Personalprozesse, Christina Haury, auf dem gut besuchten Infomarkt des CyberForum.

Beispielsweise sind negative Bewertungen im Netz für diese Unternehmen besonders ärgerlich. Dabei haben negative Bewertungen durchaus Potenzial, denn sie sind ein geniales Personalmarketing-Instrument - aber nur, wenn man es richtig macht! „Wir finden keine Mitarbeitenden“ - wenn Christina Haury diesen Satz hört, fragt sie sich: „Sucht ihr denn richtig?“ Als Expertin für HR-Prozesse erlebt sie fast täglich, dass im Personalbereich oft nicht die richtigen Prozesse implementiert sind und viele Maßnahmen nicht nur unnötig Ressourcen binden, sondern auch ins Leere laufen.

Dabei braucht es gar nicht viel. Die Herausforderung besteht darin, Bestehendes mit HR so zu verknüpfen, dass intelligente und wertschöpfende HR-Prozesse entstehen. Unternehmen haben schon viel - aber sie nutzen es nicht! Eine wichtige Säule ist dabei das richtige Employer Branding. Wie das funktioniert, erklärte Christina Haury auf dem Infomarkt. Spoiler: Keine Mitarbeitenden finden gibt’s für sie nicht.

Hier ein paar Tipps zusammengefasst.

Kununu-Bewertungen haben viel Potenzial

„Die Bedeutung von Online-Bewertungsplattformen wie Kununu ist im heutigen Recruiting-Prozess nicht zu unterschätzen.“, sagt die renommierte Expertin für HR-Prozesse. "Plattformen spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Entscheidungsfindung von Bewerbern.“ Aber: nur 7,5% der Unternehmen reagieren aktiv auf Kununu-Bewertungen. Dabei bietet die Plattform ein enormes Potenzial als Marketinginstrument, um das eigene Unternehmen zu vermarkten und potenzielle Bewerber:innen anzusprechen. Unternehmen sollten negative Bewertungen keinesfalls ignorieren oder gar mit Floskeln beantworten, sondern als Chance nutzen, mit einer unsichtbaren Gruppe - den potenziellen Bewerber:innen - zu interagieren. Eine offene und authentische Kommunikation mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden kann dabei helfen, das Vertrauen potenzieller Bewerber:innen zu gewinnen und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu steigern. „Es geht nicht darum, sich zu rechtfertigen, sondern um eine positive Reaktion, die zeigt, dass man sich konstruktiv mit den Inhalten auseinandersetzt.“ Ein Beispiel: Ein Bewerber schreibt eine negative Bewertung, weil das Unternehmen ihm nur einen Tag Home Office angeboten hat? Dann ist es wichtig, sich vorab für das wertvolle Feedback und die Chance auf Verbesserung zu bedanken, und gegebenenfalls darauf hinzuweisen, dass bereits eine Home Office Vereinbarung in Bearbeitung ist. Anstatt Bewertungen verärgert abzutun, sollten Unternehmen sie als wertvolle Quelle für Verbesserungsmöglichkeiten betrachten und konstruktiv darauf reagieren. Dazu ist es wichtig, einen Verantwortlichen für diesen Prozess zu benennen und diesen auch in den Antworten des Arbeitgebers zu nennen.

Tipp: Negative Bewertungen in positives Employer Branding umwandeln.

Kandidaten-Profile ausarbeiten hat mehr Wirkung, als viele denken

Kundenprofile kennt man aus dem Marketing, wo es üblich ist, den idealen Kunden detailliert zu beschreiben, um seine Aktivitäten gezielt darauf ausrichten zu können. Diese Herangehensweise gibt es auch im Personalbereich, wo der oder die ideale Bewerber:in beschrieben wird, um die Recruitingmaßnahmen gezielt und wirksam ausrichten zu können. „Allerdings fehlen diese fundierten Kandidatenprofile in den meisten Unternehmen völlig." Haury sieht in der spezifischen Definition der Zielgruppe und der Anforderungen an potenzielle Bewerber:innen ein riesiges Potenzial, um geeignete Mitarbeitende zu finden. “Nur wenn man ganz genau weiß, wen man sucht, findet man die richtigen Leute. Leider erlebe ich immer wieder, dass die Profile sehr schwammig gehalten werden, um möglichst viele Bewerber anzusprechen - erreicht wird genau das Gegenteil!“

Tipp: Nur mit detaillierten Bewerberprofilen können Unternehmen sicherstellen, dass sie die richtigen Tools einsetzen und Ressourcen sparen, um die richtigen Talente anzusprechen und langfristig an sich zu binden.

On- und Offboarding-Videos als Geste mit großer Wirkung

„Pre-Boarding, Re- und Offboarding“ findet nur in den seltensten Fällen statt. Dabei sind diese Phasen im Employee Lifecycle entscheidend dafür, dass sich ein Bewerber für oder gegen ein Unternehmen entscheidet.“ Ein Beispiel: Ein hochdotierter Kandidat soll in sechs Monaten eingestellt werden. Diese Zeit ist für das Unternehmen brandgefährlich, da er sich jederzeit noch umentscheiden und in einem anderen Unternehmen starten könnte. Wenn Recruitingkosten anfallen und der Bewerber abspringt, ist das finanziell doppelt schmerzhaft und die Suche beginnt von vorne. Ein herzlicher Empfang und eine strukturierte Einarbeitung können dazu beitragen, das Engagement, die Motivation und die schnellere Einsatzmöglichkeit neuer Mitarbeitender zu erhöhen. Videobotschaften, WhatsApp-Gruppen und andere digitale Kanäle sind nicht nur ideal, um mit Bewerber:innen in Kontakt zu bleiben und sie während des gesamten Prozesses zu begleiten, sondern tragen auch positiv zum Employer Branding bei. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die Großes bewirken. Diese persönliche und zeitgemäße Ansprache hebt Unternehmen von anderen ab, weckt so das Interesse potenzieller Bewerber:innen und stärkt die Bindung an das Unternehmen. Denn: Auch nach einem Sabbatical, einer Eltern- oder Pflegezeit macht ein Re-Boarding nicht nur Sinn, sondern ist ein Zeichen der Wertschätzung.

Tipp: Unternehmen sollten standardisierte Pre- und Re-Boardingprozesse implementieren und durch regelmäßige Kontaktpflege und aktive Einbindung sicherstellen, dass sie Bewerberinnen und Bewerber nicht bereits vor dem Arbeitsbeginn verlieren.

Man sieht sich immer zwei Mal. Klingt banal? Ist aber im Offboarding extrem wichtig. Auch wenn der Abschied schwerfällt: „Mitarbeitende, die gehen, sind wichtige Markenbotschafter“, ist Christina Haury überzeugt. „Wird der Abschied positiv gestaltet, kommt das dem Unternehmensimage zugute, denn manchmal kommen Mitarbeitende auch wieder. Auch hier macht ein strukturierter Off-Boarding-Prozess Sinn, in dem in Austrittsinterviews wertvolle Informationen zur internen Verbesserung gesammelt werden.

Tipp: Ausscheidende Mitarbeitende als Markenbotschafter nutzen und ebenfalls mit netten (Video) Botschaften verabschieden.

Kein Schloss versprechen, wenn man ein Holzhaus hat

Christina Haury warnt vor unangemessenem Personalmarketing. Authentisch bleiben und nicht einfach Kampagnen anderer Unternehmen kopieren. Unternehmen sollten immer ihre DNA im Auge behalten. Es bringt nichts, besonders modern sein zu wollen, wenn es gar nicht passt. Bitte kein Schloss versprechen, wenn man ein Holzhaus zu bieten hat. Einen Tischler oder eine Tischlerin mit dem Slogan ‚Krieg der Späne‘ zu suchen, mag cool klingen, wenn sich dahinter aber ein eher konservativer Betrieb verbirgt, unzählige Bewerbungsunterlagen mühsam in Onlineformularen hochgeladen werden müssen, zeugt das nicht von einem modernen Unternehmen und trägt dazu bei, dass potenzielle Bewerbende schnell die Segel streichen. Auch Social-Recruiting Maßnahmen sind eher Budgetverschwendung, so lange die internen Personalprozesse nicht darauf abgestimmt sind.

Tipp: Realistisch bleiben und Personalmarketing-Kampagnen konzipieren, die zum Unternehmen passen und mit den internen Personalprozessen verknüpft sind.

Mitarbeitende als Botschafter und Recruiter nutzen

Ein weiteres wichtiges Personalmarketinginstrument: „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“. Recruitingmaßnahmen kosten viel Geld. Warum also nicht die Mitarbeitenden als Markenbotschafter:innen für das Unternehmen einsetzen und attraktive Geldbeträge ausloben? Ein Monatsgehalt für die Empfehlung eines neuen Kollegen oder einer Kollegin? Viel zu oft wird dieses Intstrument in der HR-Praxis noch unterschätzt und nicht genutzt!

Tipp: Mitarbeitende einbinden schafft Verbundenheit nach innen, Vertrauen nach außen und kann dabei unterstützen, die benötigten Fachkräfte zu finden.

Gute HR-Prozesse sind ein Wettbewerbsvorteil

Unternehmen haben bereits viele gute Ansätze im Personalbereich. Leider laufen viele dieser Maßnahmen ins Leere, da sie nicht mit dem Lebenszyklus der Mitarbeitenden vernetzt sind, bzw. es versäumt wurde, die richtigen HR-Prozesse aufzubauen. Die Folge: Ineffiziente HR-Prozesse führen zu einer Dauerbelastung im HR und verursachen oft hohe Kosten, da z.B. die falschen Maßnahmen ausgerollt werden. Gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr Themen in den HR-Bereich fallen, ist es wichtig, die Personalarbeit zielgerichtet durchzuführen. Von Anfang an messbare und klar nachvollziehbare Personalprozesse zu etablieren, hilft dabei.

Tipp: Sich REGELMÄßIG die Zeit nehmen, um die internne Personalprozesse auf den Prüfstand zu stellen. Egal, wie groß oder klein das Unternehmen ist, ohne ineinandergreifende Personalprozesse wird nicht nur viel Geld verschwendet, sondern es wird auch immer schwieriger, die richtigen Mitarbeitenden zu finden und binden!

Der Infomarkt „Come in an burn out“ wurde veranstaltet vom CyberForum e.V., unterstützt vom Marketingclub Karlsruhe TechnologieRegion Karlsruhe e.V

Hier erfährst du mehr über HR-Prozesse.